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Ergebniszusammenfassung der statischen Messkampagne des Projekts COMPAIR der „Open Round“ 2023

Ergebniszusammenfassung der statischen Messkampagne des Projekts COMPAIR der „Open Round“ 2023

Mobilitätsmaßnahmen und Luftqualität im Quartier – Erfahrungen aus dem Graefekiez

Eine saubere Luft in Berlin ist keine klare Sache. Entgegen der allgemeinen Meinung gibt es zum tatsächlichen Ausmaß der Luftverschmutzung nach wie vor Unklarheiten. Das Berliner Luftgütemessnetz (BLUME) misst zwar stadtweit die Luftqualität, kann sie jedoch nicht in jeder Straße erfassen.


Genau deswegen brauchte es wissbegierige Bürger:innen, die im Modellprojekt Graefekiez bereit waren, das Ausmaß der Luftverschmutzung in diesem Kreuzberger Kiez unter die Lupe zu nehmen. Das Ziel der Messkampagne war recht simpel: Die Feinstaub- und Rußbelastung vor sowie nach einer Parkplatzentsiegelung, die am 17. Juli anfing, im Graefekiez zu messen und somit ihren Effekt auf die Luftqualität zu erfassen. Die Anwohner:innen wurden mit Luftqualitätssensoren ausgestattet, um räumlich und zeitlich hochaufgelöste Daten zu sammeln und so die Auswirkungen der Mobilitätsmaßnahme zu testen.


Die Messkampagne lief von Juni bis Oktober 2023.


Wie wurde gemessen?

Das Netzwerk der Beteiligten war im Kiez so aufgebaut, dass nicht nur an den Straßenabschnitten, wo Parkplätze entsiegelt wurden, sondern auch in den Seitenstraßen gemessen wurde. Die Seitenstraßen dienten als eine Art Kontrolle, um jegliche Änderungen in der Luftqualität so stark wie möglich auf die Entsieglungsmaßnahmen zurückführen zu können. In diesem Sinne haben Anwohner:innen während des gesamten Zeitraums zwei Luftpartikel – Ruß und Feinstaub (PM2.5) – sowie den Verkehrsfluss gemessen.


Von besonders großem Interesse war es, Änderungen in der Rußkonzentration vor und nach der Maßnahme zu erfassen. Denn während es bereits viele Daten zum Einfluss des Verkehrs auf die verhältnismäßig größeren Feinstaubpartikeln (PM2.5) gibt, ist das bei den kleineren Rußpartikeln nicht der Fall. Um die Entwicklung der Rußkonzentration im Graefekiez zu testen, wurde ausschließlich mit Rußsensoren an den Straßen mit der Parkplatzentsiegelung gemessen.


Die Feinstaubmessungen boten wiederum eine detaillierte Einsicht in die Entwicklung der lokalen Luftqualität über einen mehrmonatlichen Zeitraum. Um die Glaubwürdigkeit der Daten zu erhöhen, wurden die Feinstaubmessungen mit zwei BLUME-Messstationen, einer in der Nansenstraße und einer am Müggelsee, verglichen.



Ergebnisse der Messkampagne

Feinstaub

Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sollte die durchschnittliche Tagesbelastung von Feinstaub PM2.5 15 µg/m3 an nicht mehr als drei bis vier Tagen pro Jahr überschreiten. In dem Kontext kann man in den untenstehenden Abbildungen die durchschnittliche Feinstaubbelastung betrachten und wie oft diese über dem Grenzwert lag.


Die durchschnittliche Feinstaubbelastung der bürgerwissenschaftlichen Messungen lag bei unter 5µg/m3 während des gesamten Zeitraums. Damit gehören die Werte zu den niedrigeren Durchschnittswerten im gesamten Jahr. Das ist auch nicht überraschend, da höhere Belastungswerte während der Winterzeit zu erwarten sind. Demgegenüber lag die durchschnittliche Feinstaubbelastung bei den zwei BLUME-Stationen bei  7-8 µg/m3. Zwar sind die Werte der Anwohner:innen im Vergleich zu offiziellen Messungen etwas niedriger, der Unterschied ist dennoch nicht so groß. Die Streuung der Werte – also die Unterschiede zwischen dem maximalen und minimalen Wert – ist ebenso recht klein, was auf gute, konstante Messungen hinweist.



Die Abbildung unten stellt den Zeitverlauf der Messungen dar. Auch hier sind keine großen Abweichungen zwischen offiziellen BLUME- und COMPAIR-Messwerten erkennbar, obwohl die offiziellen Werte tendenziell minimal höher ausfallen. Der Grund für die geringen Unterschiede liegt größtenteils an der Technologie selbst. Die hochwertigen Sensoren nutzen eine hochentwickelte Messtechnik, die die Feinstaubkonzentration bei größeren Wetterschwankungen besser erfassen kann. Nichtdestotrotz folgen alle Messungen ähnlichen Trends, wie z.B. die Spitzen Mitte Juni oder Mitte September. Diese Spitzen sind laut COMPAIR-Partner VMM (Flämische Umweltbehörde) durch die Waldbrände in Kanada während der Sommerzeit verursacht worden.



Ruß

Die Auswirkungen der Parkplatzentsiegelung wurden in erster Linie auf Rußkonzentrationen getestet. Dabei wurden die Daten anhand von Messungen an zwei Stellen ausgewertet. Eine Stelle befand sich im Abschnitt der Graefestraße, wo die Maßnahme umgesetzt wurde, die andere auf dem Straßenabschnitt in der Schönleinstraße, wo es keine Maßnahmen gab. Vorweg muss darauf hingewiesen werden, dass die Daten nicht immer durchgehend gesammelt wurden, was eindeutige Schlussfolgerungen bezüglich des Effekts der Parkplatzentsiegelung erschwert. Das bezieht sich vor allem auf die Messungen in der Böckhstraße, wo keinerlei Daten, sowie in der Graefestraße, wo keine Daten zwischen dem 23. Juni und 8. August gesammelt werden konnten. Dies wurde in allen Fällen durch technische Fehler verursacht. Darüber hinaus wurde teilweise auch während der Ferienzeit gemessen als der Verkehrsfluss generell geringer war. Diese Muster sind in den unteren Abbildungen zu erkennen.




Wie in den Abbildungen erkennbar, waren die Werte in der Graefestraße stets niedriger als in der Schönleinstraße, sowohl vor als auch nach der Maßnahmenumsetzung. Nichtdestotrotz zeigen die untenstehenden Boxplots aus einer zusammengefassten Sicht eine relative Reduzierung der Rußkonzentration auf. Das Ergebnis ist umso aussagekräftiger, dass trotz lückenhafter Datensammlung sehr ähnliche - in der Zeit nach der Entsiegelung sogar deckungsgleiche – Zeitperioden verglichen wurden. Obwohl die Reduzierung der Rußverschmutzung von vielerlei anderen Faktoren hätte verursacht werden können (neben dem niedrigen Verkehrsfluss im Sommer, spielt zudem auch die Wetterlage eine große Rolle), kann man den Effekt der Parkplatzentsiegelung nicht ganz ausschließen – vor allem vor dem Hintergrund, dass die Ergebnisse die Einbeziehung zumindest einer passenden „Kontrollstraße“ (Schönleinstraße) widerspiegeln. Darüber hinaus war auch hier, wie bei den Feinstaubmessungen, die Streuung der Werte niedrig, was die Validität der Messungen stärkt.



Das in COMPAIR entwickelte Policy Monitoring Dashboard Tool, das sich zum Teil noch in der Entwicklungsphase befindet, bietet zukünftig einen noch besseren Einblick in die Ergebnisse bürgerwissenschaftlicher Experimente. Sie sind über die zwei folgenden Links abrufbar.


Policy Monitoring Dashboard: Allgemeine Ansicht  


Policy Monitoring Dashboard: Projekt Graefekiez


Aussichten für weitere Projekte

Im Pilotprojekt Graefekiez wurde klar, dass die Umsetzung bürgerwissenschaftlicher Experimente nicht nur möglich ist, sondern eine aussichtsreiche Perspektive für die Zusammenarbeit zwischen Bürger:innen und der Verwaltung bietet. Mit den richtigen Tools, wissbegierigen Anwohner:innen, einer vorausdenkenden Verwaltung und einer klaren Idee können bürgerwissenschaftliche Experimente für konkrete Forschungsvorhaben genutzt werden.


Für die Zukunft ist es vorstellbar, dass ambitionierte Anwohner:innen oder die Verwaltung selbst solche Projekte anstoßen, vor allem, wenn die Auswirkungen einer (Mobilitäts-)Maßnahme getestet werden sollen. Dazu dient auch die „Projektversion“ des Policy Monitoring Dashboards (siehe oben), das in COMPAIR entwickelt wird. Zu diesem Zweck wurde bereits die Berliner Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt kontaktiert, die die Verwertung des Tools unterstützen wird. Vor allem Bezirksämter könnten von diesem Open-Source-Produkt von COMPAIR profitieren.


Bevor es jedoch soweit ist, steht noch die öffentliche Runde der Messkampagnen an, die von Februar bis Juni 2024 läuft. Diesmal werden die Mobilitätsmaßnahmen im Bellermann-Kiezblock im Wedding mit den Neuköllner Kiezen Donaustraße und Flughafenstraße verglichen, in denen keine Verkehrsberuhigungsmaßnahmen existieren. In den kommenden Monaten könnt ihr noch mehr Ergebnisse erwarten, die hier veröffentlicht werden. Bleibt also dran!


Projektverantwortliche:

Vlatko Vilovic: vilovic@inter3.de

Gesine Wilbrandt: wilbrandt@inter3.de

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